Subkommission Serologie, Immunologie und Virologie (SIV) der Eidg. Kommission für AIDS-Fragen (EKAF) Stellungnahme zum Gebrauch von Home Tests für HIV (Bulletin des Bundesamtes für Gesundheit 1997;29:4-6, 28. Juli 1997)
In der Schweiz werden jährlich gegen eine Million HIV-Tests durchgeführt. Verschiedene gesetzliche und organisatorische Massnahmen garantieren eine hohe Qualität dieser Untersuchungen mit höchstmöglicher Sicherheit für die getesteten Personen. Mit der Entwicklung alternativer Testmethoden, den sog. Home Tests, stellt sich die Frage, ob diese neue Technologie künftig auch in der Schweiz zum Einsatz kommen soll. Die Reaktion der Medien und des Publikums auf die Lizenzierung von Heimentnahmetests in den USA lässt schliessen, dass auch bei uns ein Interesse für derartige Tests besteht. Einer zu erwartenden Nachfrage dieser Tests durch das Publikum steht der Gesetzesauftrag einer optimalen Testsicherheit gegenüber. Die Subkommission Serologie, Immunologie und Virologie der Eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen hat daher die Fragen um einen möglichen Einsatz von Home Tests in der Schweiz geprüft.
Definitionen
Folgende Definitionen werden in dieser Stellungnahme verwendet:
Grundsätze der Testzulassung. Der Vertrieb sämtlicher in der HIV-Diagnostik eingesetzten Produkte bedarf einer Bewilligung durch das BAG (Pre-Marketing Approval). Strenge Zulassungsrichtlinien, eine sorgfältige standardisierte Prüfung sowie eine kontinuierliche Überwachung auch nach der Inverkehrsetzung sorgen dafür, dass ausschliesslich Screeningtests mit genügender Empfindlichkeit (Sensitivität), Sicherheit (Spezifität) und Betriebssicherheit auf den Markt kommen und dass Produkte, deren technischer Stand überholt ist, rechtzeitig vom Markt genommen werden (1).
Für die Zulassung wird eine statistisch garantierte Mindestspezifität von 99.5% und eine statistisch garantierte Mindestsensitivität für HIV-1 von 99% gefordert. Bei HIV-1 muss speziell auch die Empfindlichkeit gegenüber Infektionen mit Viren der Gruppe O dokumentiert werden. Ausserdem muss die Empfindlichkeit in der Frühphase der HIV-Infektion an mindestens 15 Serokonversionspanels belegt werden.
Testüberwachung in den diagnostischen Laboratorien. Die kontinuierliche Produkteüberwachung findet in den diagnostischen Laboratorien statt: Es wird auch angestrebt, dass in klinischen Laboratorien die Doppeltestung mit zwei verschiedenen Tests unterschiedlicher Bauart (Zweit- und Dritt-Generation) zum Standard wird. Unstimmigkeiten mit einem bestimmten Test können so in der Regel schnell erkannt werden.
Qualitätskontrolle der Laboratorien. Für die Sicherheit der HIV-Diagnostik ist neben der Qualität der Diagnostika auch die Qualität der Laboratorien, welche die Tests durchführen, ein wesentlicher Faktor. Die Verordnung über die Krankenversicherung vom 27.6.1995 bestimmt, dass als Leistungserbringer für die Krankenversicherer nur die vom BAG anerkannten Laboratorien in Frage kommen. Die Teilnahme an externen Qualitätskontrollen sowie die Erstellung eines internen Qualitätssicherungssystems sind vorgeschrieben (2).
HIV-Diagnostikkonzept. Zu den qualitätssichernden Massnahmen gehört im weiteren das HIV-Diagnostikkonzept des BAG. Eckpfeiler dieses Konzepts sind
Bei strikter Befolgung dieses Konzepts können Fehldiagnosen infolge von Verwechslungen, Kontaminationen und Fehlleistungen von Maschinen und Personal jeglicher Art praktisch ausgeschlossen werden.
Während nach dem bisherigen Laborkonzept alle wesentlichen Schritte einer HIV-Testung (Blutentnahme, Testung, Resultateinterpretation, Resultatemitteilung und Beratung) innerhalb einer medizinischen Infrastruktur durchgeführt wurden, werden bei den Home Tests einzelne oder alle diese Schritte der Verantwortlichkeit des Probanden zugewiesen. Je nach Test und dahinterstehendem Konzept werden verschiedene Wege beschritten.
Beim Heimentnahmetest erfolgt lediglich die Materialentnahme zu Hause. Da eine venöse Blutentnahme nicht möglich ist, wird als Untersuchungsmaterial entweder Kapillarblut (mit Lanzette entnommen und auf ein Filterpapier aufgesaugt), Speichel bzw. ein Transsudat der Mundschleimhaut oder Urin verwendet. Das Untersuchungsmaterial wird an ein Labor eingeschickt, welches einen für diese Materialien adaptierten, sonst aber herkömmlichen Test durchführt. Je nach Resultat kann mit demselben Untersuchungsmaterial noch ein Zweittest oder ein modifizierter Bestätigungstest durchgeführt werden. Das zentrale Problem ist hier, wie das Resultat dem Probanden* mitgeteilt werden soll. In USA erfolgt die Resultatdurchgabe telefonisch, der Proband muss dazu ein Auskunftszentrum kontaktieren. Ein negatives Resultat wird meist ab Band mitgeteilt, bei einem positiven Resultat erfolgt die Mitteilung persönlich durch eine geschulte Fachkraft. In der Schweiz widerspricht dieses Vorgehen klar dem HIV-Diagnostikkonzept des BAG, das die Testberatung miteinschliesst. Beim Heimdurchführungs-test erfolgen, wie bei einem Schwangerschaftstest, alle Schritte der Testung durch den Probanden selbst.
Sensitivität und Spezifität von Hometests. Eine fundierte Beurteilung der verschiedenen in den USA zugelassenen Heimentnahmetests ist derzeit nicht möglich, da in der Schweiz bisher keine Zulassungsunterlagen vorliegen. Gemäss der publizierten Literatur und Konferenzmitteilungen (3-8) liegt die beobachtete Sensitivität zwischen etwa 99.3 und 100% für die Speichel- und Urintests, wobei die verwendeten Systeme sehr uneinheitlich sind und z.T. nur an einer bescheidenen Zahl von Stichproben geprüft wurden. Die in diesen Studien beobachtete Spezifität war ebenfalls sehr unterschiedlich und reichte von 99.3% bis 100% für Speicheltests und von 93.6% bis 100% für Urintests. Insgesamt dürfte die Empfindlichkeit derartiger Tests mindestens dem Stand entsprechen, den die konventionellen Screening-Kits in den späten 80er-Jahren hatten.
Je nach Art des Home Tests kann die Qualitätskontrolle schwierig werden. Bei der Zulassungsprüfung würden lediglich Heimentnahmetests mit Verwendung von Kapillarblutproben keine wesentlichen Probleme bieten, da diese Tests auf alle Kriterien der Testzulassung inklusive Serokonversionspanels geprüft werden können. Problematisch wird es hingegen bei Speichel- und Urintests, denn für diese Materialien gibt es bisher keine den Serokonversionpanels vergleichbaren standardisierten seriellen Proben. Die Empfindlichkeit solcher Testsysteme in der Frühphase einer Infektion kann daher nicht geprüft werden. Aus Gründen der Rechtsgleichheit und von Qualitätssicherungsaspekten müssen aber bei der Zulassungsprüfung für alle Produkte prinzipiell die gleichen Anforderungskriterien gelten. Eine Senkung der Zulassungsanforderungen für nicht-serumbasierte Home Tests, erzwungen durch das Fehlen von Konversionspanels, impliziert eine Benachteiligung der konventionellen Produkte. Mittel- und langfristig könnte dies daher zu einer Verlagerung des Markts auf Hometests, damit zu einer Qualitätssenkung der in der Diagnostik eingesetzten Kits und zu einer Verschlechterung der HIV-Diagnostik insgesamt führen.
Auch bei der Testüberwachung nach der Markteinführung können sich verschiedene Probleme ergeben. Solange die Tests in den Laboratorien durchgeführt werden (Heimentnahmetests), kann zumindest die Spezifität überwacht werden. Probleme mit der Sensitivität werden jedoch, wenn jeweils nur ein einziger Test durchgeführt wird, kaum zu erkennen sein. Vollkommen verunmöglicht wird die Überwachung, wenn die Testdurchführung durch den Probanden selbst erfolgt (Heimdurchführungstests), denn diesem fehlen Vergleichsmöglichkeit und Erfahrung.
Ein wesentlicher Bestandteil einer HIV-Testung und wichtig für die Qualität der Testung ist zudem die vorgängige persönliche Beratung, in der mit dem Probanden die Expositionsrisiken, der Sinn und Zweck einer Testung zum gegebenen Zeitpunkt sowie die zu treffenden prophylaktischen Massnahmen thematisiert werden. Bei den Home Kits ist eine persönliche vorgängige Beratung a priori verunmöglicht.
Angesichts der offensichtlichen Probleme bei der Qualitätskontrolle von Home Tests muss man sich fragen, ob der Gebrauch solcher Produkte überhaupt wünschbar ist. In USA hat vor allem die Feststellung, dass bei einem hohen Anteil von HIV-Infizierten die Infektion relativ spät oder sogar erst beim Auftreten von HIV-assoziierten Krankheitssymptomen diagnostiziert wird, die Zulassung von Heimentnahmetests begünstigt. Man erhofft sich, dass sich dank der erleichterten Testzugänglichkeit und verbesserten Konfidentialität künftig auch HIV-infizierte Personen testen lassen werden, die mit der bisherigen Strategie nicht erreicht werden konnten.
Ein weiterer Vorteil von Heimdurchführungstests, bei welchem alle Testschritte durch den Probanden selbst erfolgen, wäre der Ausschluss einer Verwechslung oder die Kontamination z.B. mit einem positiven Serum. Eine andere wichtige Fehlerquelle, nämlich das subjektive Ablesen, bleibt allerdings bestehen.
Nach Erwägung der verschiedenen Gesichtspunkte kommt die Subkommission SIV der Eidg. Kommission für AIDS-Fragen zum Schluss, dass mit der bisherigen Strategie, die auf der Testung von Blutproben im Rahmen des HIV-Diagnostikkonzepts in anerkannten Laboratorien beruht, ein Optimum an diagnostischer Qualität gewährleistet wird. Sie empfiehlt daher, diese Strategie im jetzigen Zeitpunkt beizubehalten, sie sieht gegenwärtig keinen akuten Bedarf für die Zulassung von Home Tests.
Die Zulassung von Home Tests liesse auch negative Auswirkungen auf die HIV-Surveillance erwarten. Bei Heimentnahmetests könnten die involvierten Labors zwar zur Meldung positiver Resultate verpflichtet werden, es wäre aber unmöglich epidemiologische Informationen zu erheben. Es wäre auch ausgeschlossen, Wiederholungstests als solche zu erkennen. Bei Heimdurchführungstests würden Meldungen vollständig entfallen. Nur unter der Voraussetzung, dass nach einem positivem Resultat ein Arzt aufgesucht und ein weiterer Test durchgeführt würde, hätte dies keine negative Auswirkungen auf die HIV-Surveillance.
Die Subkommission möchte sich jedoch den positiven Aspekten des Home Tests nicht grundsätzlich verschliessen und empfiehlt daher, die Entwicklungen auf dem Home Test-Markt, sowie eine allfällige Einbindung solcher Kits ins HIV-Laborkonzept kontinuierlich zu überprüfen. Sollten die Vorteile des Home Tests für das HIV-Konzept überwiegen, müsste eine Änderung des Konzeptes so schnell wie möglich erfolgen. Zur Zeit ist jedoch weder die Qualität im Vergleich zu den bestehenden Screeningtests genügend noch der Bedarf in der Schweiz klar ausgewiesen. Schliesslich sollte, wenn immer möglich, eine Harmonisierung mit den umgebenden Ländern angestrebt werden.
Bisher liegen dem BAG noch keine Zulassungsgesuche für Home Tests vor. Sollten im jetzigen Zeitpunkt solche Tests angeboten werden, sind diese nicht nur illegal, sondern auch nicht qualitätsgeprüft. Die Subkommission rät dringend von der Verwendung solcher Kits durch Private ab.
* mit der Bezeichnung 'Probanden' sind sowohl weibliche wie männliche Personen gemeint.
Hauptautoren: P. Erb, D. Hartmann (BAG), L. Perrin, J. Schüpbach, P. Vernazza. |