Fosamprenavir (Telzir®)
Einleitung
Amprenavir
(APV, VX-478, 141W94, Handelsname AgeneraseTM,
Hersteller
GlaxoSmithKline) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen
die Protease-Inhibitoren
genannt werden. Fosamprenavir (FAPV,
GW433908/VX-275,
Handelsname Telzir® bzw. LexivaTM
, Hersteller GlaxoSmithKline und Vertex Pharmaceuticals) ist eine
Prodrug (Vorstufe) von Amprenavir, die besser resorbiert und im
Körper rasch in die aktive Form (Drug=Amprenavir) umgebaut wird.
Vorteil der Pro-Drug ist
es, dass im Blut vergleichbare Wirkstoffkonzentrationen bei einer
kleineren Anzahl einzunehmender Tabletten erreicht werden. Weitere
Medikamente dieser Wirkstoffklasse sind Atazanavir, Darunavir,
Indinavir,
Lopinavir, Nelfinavir, Ritonavir,
Saquinavir und Tipranavir. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht
in
der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der HIV-Protease. Die
Blockierung
dieser "Eiweiss-Schere" führt zu unreifen, nicht-infektiösen
Viren,
d.h. sie können keine weiteren Zellen mehr infizieren. Protease
Inhibitoren
verhindern deshalb bei HIV-infinzierten Personen neue Infektionszyklen.
Zwischen
den einzelnen Proteaseinhibitoren besteht eine weitgehende
Kreuzresistenz;
d.h. gegen Viren, die auf die eine Substanz unempfindlich geworden sind
nützen
auch die anderen Medikamente dieser Substanzklasse nichts mehr, oder
zumindest
nicht mehr zuverlässig.
Fosamprenavir
wurde
in den USA am 20. Oktober 2003 und in der Folge auch in der EU
zugelassen. In
der Schweiz ist Fosamprenavir - in einer zweimaltäglichen
Dosierung,
geboostet mit einer niedrigen Dosis Ritonavir - seit dem 1. Mai
2005 zugelassen zur
Behandlung
Erwachsener mit einer HIV-Infektion, bei denen die Substanz aufgrund
von
Resistenztests und der Behandlungsvorgeschichte wirksam scheint. In den
USA ist - bei Menschen mit einer bisher unbehandelten HIV-Infektion -
auch eine Dosierung von 1x 1400mg zusammen mit Ritonavir 1x 100-200mg
pro Tag zugelassen.
Protease
Inhibitoren werden vorzugsweise zusammen mit zwei Nukleosidanaloga
RT-Hemmern eingesetzt. Im Idealfall
handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen eine Person noch nie
zuvor
behandelt wurde. Bei vorbehandelten Personen ist dies nicht immer
möglich.
In diesem Fall sollte ein Therapiewechsel mindestens zwei neue
Substanzen
ohne Kreuzresistenz umfassen mit denen die Person noch nie zuvor
behandelt
wurde. Die Zugabe lediglich einer neuen Substanz zu einer
unbefriedigenden
Therapie führt zur Entwickung von Resistenzen und ist zum
Scheitern verurteilt.
Resultate
von Studien
Resultate einer
Studie mit Fosamprenavir oder Amprenavir mit klinischen Endpunkten
sind nicht bekannt.
Aequimolare
Dosen von von Fosamprenavir (1400mg) und Amprenavir (1200mg)
führen
zu vergleichbaren Amprenavir-Spiegeln im Blut. Mit einer kleinen Dosis
Ritonavir
geboostetes Fosamprenavir oder Amprenavir führt zu
bedeutend
höheren Amprenavir-Spiegeln. Die mit FAPV/r 2 x 700/100mg/d
erzielten Blutkonzentrationen
sind nicht unterschiedlich zu den Konzentrationen unter APV/r 2 x
600/100mg/d (Studie APV10022). Die Talspiegel (Cmin) unter
FAPV/r 1 x 1400/200mg/d sind niedriger unter als unter FAPV/r 2 x
700/100mg/d (1.45 mg/l vs. 2.12mg/l) .
In
der Studie APV30001 [NEAT] wurden 249 bisher unbehandelte Menschen mit
einer
HIV-Infektion entweder mit Fosamprenavir (2 x 1400mg/d) oder
Nelfinavir
(2 x 1250mg/d) [Kontrollarm] jeweils zusammen mit Abacavir (ABC)
und
3TC behandelt. Nach 48 Behandlungswochen zeigten 55% der mit
Fosamprenavir
und 41% der mit Nelfinavir behandelten PatientInnen einen viral load
von
< 50 HIV-1 RNA-Kopien/ml und die CD4-Zellen waren um gut
200
Zellen/ml angestiegen.
In der Studie
APV30002 [Solo] wurden 649 bisher unbehandelte Menschen mit
einer HIV-Infektion entweder mit Fosamprenavir (1 x 1400mg/d) plus
Ritonavir
(1 x 200mg/d) oder Nelfinavir (2 x 1250mg/d)[Kontrollarm] jeweils
zusammen
mit Abacavir (ABC) und Lamivudin (3TC) behandelt. Nach 48
Behandlungswochen
zeigten
56% der mit Fosamprenavir/Ritonavir und 52% der mit Nelfinavir
behandelten
PatientInnen einen viral load von < 50 HIV-1 RNA-Kopien/ml und
die CD4-Zellen
waren um gut 390 Zellen/ml angestiegen.
In der Studie
APV30003
[Context], wurden 315 PatientInnen, bei denen zuvor 1-2
Proteaseinhibitor-haltige
Dreierkombinationen virologisch versagt hatten mit zwei
unterschiedlichen
Dosierungen von Fosamprenavir/Ritonavir (FAPV/r 2 x 700/100mg/d
oder 1 x
1400/200mg) oder mit Lopinavir/r (2 x 400/100mg/d ) jeweils zusammen
mit
NRTI's behandelt.
Die Zeit-gemittelten Änderungen des Viral loads nach
48 Wochen (dem Endpunkt, wofür die Studie "gepowert" war) betrugen
für FAPV/r
-1.4 log und für LPV/r -1.67 log.
Der Anteil Patienten mit einem viral
load <50 HIV-1 RNA Kopien/ml nach 48 Wochen (sekundärer
Endpunkt), betrug
für Patienten unter Lopinavir/r 50%, für Patienten unter der
zweimaltäglichen
Dosierung von FAPV/r 46% und unter der einmaltäglichdosierung von
FAPV/r
37% . Der Anstieg der CD4-Zellen betrug 80-90 Zellen.
In der Studie APV30002
[KLEAN] wurden 878 bisher unbehandelte Menschen mit
einer HIV-Infektion entweder mit Fosamprenavir (2 x 700mg/d) plus
Ritonavir
(2 x 100mg/d) oder Lopinavir/r (2 x 400/100mg) [Kontrollarm]
jeweils
zusammen
mit Abacavir (ABC) und Lamivudin (3TC) einmaltäglich
(1x600/300mg) behandelt. Nach 48 Behandlungswochen
zeigten 73% der mit Fosamprenavir/r und 71% der mit Lopinavir/r
behandelten
PatientInnen einen viral load von < 400 bzw. 66 und 65% einen viral
load von <50 HIV-1 RNA-Kopien/ml und
die CD4-Zellen
waren um 176 bzw. 191 Zellen/ml angestiegen. Die am
häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Durchfall (6 bzw. 5%),
Übelkeit (6 bzw. 5%) und eine
Abacavir- Hypersinsitivitätsreaktion (6 bzw.4%);
die
Lipidstoffwechselveränderungen waren in beiden Behandlungsarmen
vergleichbar. Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen wurden
bei 12 bzw. 10% der StudienteilnehmerInnen verzeichnet.
In der Studie ALERT Studie wurden 106 bisher unbehandelte Menschen mit
einer HIV-Infektion entweder mit Fosamprenavir/r (1 x 1400/100mg/d)
oder Atazanavir/r (1 x 300/100mg) [Kontrollarm]
jeweils
zusammen
mit Tenofovir/Emtricitabin (1x 300/200mg/d) behandelt. Nach 48
Behandlungswochen
zeigten 93% (42/45) der mit Fosamprenavir/r und 96% der mit
Atazanavir/r behandelten
PatientInnen einen viral load von < 400 bzw. 89% (40/45) und 92%
(44/48) einen viral
load von <50 HIV-1 RNA-Kopien/ml.
Resistenz
Die
Schlüssel-Resistenzmutation erfolgt an I50V, diese,
zusammen mit weiteren
Protease-Mutation an den Codons V32I, M46I/L, I54L/M und I84V,
führt zu einer
verminderten Empfindlichkeit der Viren auf Amprenavir.
Amprenavir-resistente
Viren sind teilweise kreuzresistent gg. Ritonavir, zT jedoch
empfindlich
auf Indinavir und Saquinavir.
Nebenwirkungen
Die
häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Amprenavir sind
Übelkeit (~51%),
Durchfalll (~37%), Hautausschlag (~28%), Kribbeln um den Mund
(~25%), Kopfschmerzen
(~24%), Erbrechen (~23%), Müdigkeit (~23%), Blähungen (~19%),
weicher Stuhl
(~16%), Schlafstörungen (~11%) und Bauchschmerzen (~11%). Diese
Symptome
treten meistens zu Beginn der Behandlung auf, sind oft nicht sehr
ausgeprägt
und meistens vorübergehend.
Die häufigsten zum Behandlungsabbruch führenden
Nebenwirkungen sind Übelkeit (~3%) und ein Hautausschlag
(~3%; inklusive
Fälle von Stevens-Johnsons Syndrom). Bei einzelnen Patienten
zeigte sich
eine Verminderung der neutrophilen Granulozyten (einer bestimmten
Gruppe
der weisse Blutzellen) und eine Anaemie (Verminderung der roten
Blutzellen).
Amprenavir ist ein Sulfonamid. Die Grösse des Risikos einer
Kreuzallergie
mit andern Medikamenten aus dieser Substanzklasse [z.B. Cotrimoxazol
(Bactrim®)] ist unbekannt.
Die Verabreichung an schwangere Kaninchen führte zu Aborten und
Missbildungen
an den Knochen. Potentielle Nebenwirkungen des im Sirup als
Lösungsmittel
enthaltenen Propylenglykols sind: epileptische Anfälle, Apathie,
Herzrasen,
Übersäuerung (Laktatazidose), Nierenschädigung und eine
Schädigung der roten
Blutkörperchen (Haemolyse)
Interaktionen
Amprenavir, die
anderen Proteaseinhibitoren und die Nicht-Nukleosidanloga
RT-Hemmer werden in der Leber über das Cytochrom P450-System
abgebaut. Wechselwirkungen
mit anderen Medikamenten und Substanzen, sogenannte Interaktionen, sind
vor
allem dann zu erwarten, wenn diese dasselbe Enzymsystem benutzen. Das
Resultat
dieser Wechselwirkngen sind häufig zu hohe oder zu niedrige
Blutspiegel von
Amprenavir und/oder der anderen eingenommenen Substanz. Zu hohe
Blutspiegel
führen unter Umständen zu Nebenwirkungen, zu tiefe
Blutspiegel zum Verlust
der Wirksamkeit.
Eine Übersicht - gegliedert nach therapeutischen Gruppen -
über die wichtigsten
Substanzen deren gleichzeitige Einnahme mit Fosamprenavir zu
bedeutsamen
Wechselwirkungen
führt findet sich in der Tabelle Interaktionen
mit antiretroviralen Medikamenten.
Fosamprenavir darf nicht zusammen mit folgenden Substanzen
eingenommen
werden: Amiodarone, Astemizol, Cisapride, Chinin, Midazolam,
Rifampicin, Terfenadin,
Triazolam, Flecainid und Propafenon
und Ergotaminderivate; die Dosis von Rifabutin muss um 75%
reduziert
werden.
Lagerungsvorschriften
Fosamprenavir
ist erhältlich als Filmtabletten à 700mg und als Suspension
(50mg/ml). Beide sollten bei
Zimmertemperatur (unter 30 Grad Celsius) aufbewahrt werden.
Dosierung
Die in der
Schweiz und Europa zugelassene Dosierung von Fosamprenavir zusammen mit
Nukleosidanaloga
RT-Hemmern beträgt
FAPV/r 2 x 700/100mg/d. Filmtabletten können unabhängig von
einer Mahlzeit eingenommen werden; die Suspension muss hingegen
nüchtern eingenommen werden. Wird Fosamprenavir zusammen mit
Nicht-nukleosidanalogen RT-Hemmern oder anderen
Protease-Inhibitoren eingenommen, ist infolge möglicher Wechselwirkungen
mit diesen Substanzen unter Umständen eine andere
Dosierung angezeigt.
Kommentar
Fosamprenavir/r
- mit Ritonavir geboostetes Fosamprenavir - hat
Amprenavir/r ersetzt. Mit weniger Tabletten werden im Blut
vergleichbare
Wirkstoffkonzentrationen erreicht; allerdings zum Preis wesentlich
höherer Behandlungskosten. Die Wirksamkeit von
Ritonavir-geboostetem Fosamprenavir bei unbehandelten PatientInnen
in einer zweimal täglichen
Dosierung ist vergleichbar (konkret: nicht geringer als) mit
derjenigen von
Lopinavir/r. Und, die
Wirksamkeit von
Ritonavir-geboostetem Fosamprenavir bei mässig vorbehandelten
PatientInnen in einer zweimal täglichen
Dosierung erscheint ebenfalls vergleichbar mit der Wirkung von
Lopinavir/r; nicht
aber
die gleiche Tagesdosis in einer einmaltäglichen Gabe. Diese war
bei bisher unbehandelten PatientInnen in einer
Studie vergleichbar
mit Nelfinavir (was nicht den heutigen
Erwartungen entspricht), hingegen in einer anderen (kleinen)
Studie vergleichbar mit Atazanavir/r. Es erscheint
deshalb
ratsam - und entspricht der Zulassung in der Schweiz und in Europa -
mit Ritonavir
geboostetes
Fosamprenavir immer zweimaltäglich einzusetzen. Gemäss den
aktuellen DHHS Guidelines gehört Fosamprenavir/r zu den
bevorzugten Komponenten eines Regimes
für einen Therapiebeginn.
Nicht kombiniert
werden
soll u.a. Fosamprenavir mit Lopinavir/r. Sowohl die Amprenavir-
als auch die Lopinavir-Talspiegel sinken bei gleichzeitiger
Einnahme um 40%!.
Literatur
- Fosamprenavir:
Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Fachinformation
- Fosamprenavir: US-Package-Insert
- Wire
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Last
update 12.10.2007