ddI (Didanosin, Videx®EC, Videx®)

Einleitung

Didanosin (ddI, Handelsname Videx®EC, Videx®, Hersteller Bristol-Myers, Squibb) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Nukleosid-Analoga RT-Hemmer (NRTI) genannt werden. Weitere Medikamente dieser Klasse sind ABC, AZT, 3TC, d4T und FTC. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der Reversen Transkriptase. Die Blockierung dieses Enzyms führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von RNA in DNA. Dies bedeutet, dass neue Zellen vor einer Infektion geschützt und weitere Infektionszyklen verhindert werden.

In der Schweiz ist ddI zugelassen zur Behandlung der HIV-Infektion von Erwachsenen und Kindern.

Nukleosidanaloga RT-Hemmer werden immer in Kombination, vorzugsweise zwei NRTI zusammen mit einem Protease-Inhibitor oder einem Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer eingesetzt. Im Idealfall handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen eine Person noch nie zuvor behandelt wurde. Bei vorbehandelten Personen ist dies nicht immer möglich. In diesem Fall sollte ein Therapiewechsel mindestens zwei neue Substanzen ohne Kreuzresistenz umfassen mit denen die Person noch nie zuvor behandelt wurde. Die Zugabe lediglich einer neuen Substanz zu einer unbefriedigenden Therapie führt zur Entwickung von Resistenzen und ist zum Scheitern verurteilt.

Resultate von Studien

In der Delta-Studie wurden 3207 Patienten mit im Mittel 205 CD4-Zellen/ul entweder mit AZT allein, mit AZT+ddI oder AZT+ddC behandelt. Im Vergleich zu einer AZT-Monotherapie reduzierte sich das Todesfallrisiko unter der Kombination AZT + ddI um 42% und um 32% unter AZT+ddC. Bei zuvor mit AZT behandelten Patienten führte die Zugabe von ddI zu AZT zu einer Reduktion der Sterblichkeit um 23% während die Zugabe von ddC auf die Sterblichkeit keinem direkt nachweisbaren Effekt zeigte.

In der Studie ACTG 175 wurden 2467 HIV infizierte Patienten (davon 43% ohne vorherige antiretrovirale Therapie) mit im Mittel 352 CD4-Zellen/ul entweder mit AZT, AZT+ddI, AZT+ddC oder ddI alleine behandelt. Das Risiko des Fortschreitens der Krankheit zu AIDS/Tod im Vergleich zu einer AZT-Monotherapie reduzierte sich unter AZT+ddI um 36%, unter ddI allein um 31% und unter AZT+ddC um 23%. Der klinische Nutzen der Kombination AZT+ddC war beschränkt auf Personen, die zuvor noch nicht mit AZT behandelt worden waren.

In der ATLANTIC Studie werden während 48 Wochen Wirkung und Nebenwirkungen von drei verschiedenen Dreierkombinationen [3 NRTIs vs 1 NNRTI + 2 NRTIs vs 1 PI + 2 NRTIs] bei bisher unbehandelten PatientInnen miteinander verglichen.
Konkret handelt es sich um eine offene, randomisierte Studie, in der 298 StudienteilnehmerInnen mit im Mittel 408 CD4-Zellen/ul und einem viral load von 15'000 RNA-Kopien/ml mit den Kombinationen d4T/ddI/3TC, d4T/ddI/Nevirapin oder d4T/ddI/Indinavir (IDV, Crixivan) behandelt werden; Nevirapin und ddI werden dabei in einer Einmaldosis eingenommen.
Nachfolgend vorläufige Daten, basierend auf den ersten 181 PatientInnen, die den Zeitpunkt 48 Wochen erreichten; ca. 10% haben die Studie abgebrochen:

 
 
d4T/ddI/IDV
d4T/ddI/NVP
d4T/ddI/3TC
<50 Kopien/ml, ITT
57%
51%
49%
<50 Kopien/ml, AT
90%
82%
78%
CD4-Zellen/mm3
+146
+134
+168
Insgesamt zeigt sich kein Unterschied zwischen den drei Behandlungsarmen. PatientInnen mit einem Ausgangs viral load von >100'000 RNA-Kopien/ml erreichten jedoch seltener einen Vial load < 50 Kopien/ml, wenn sie mit d4T/ddI/3TC behandelt wurden (p<0.023).

In der Studie AI454-148 wurden 756 bisher unbehandelte PatientInnen offen entweder mit ddI (einmaltäglich) + d4T + Nelfinavir oder mit AZT + 3TC + Nelfinavir behandelt. Nach 24 Wochen hatten 63% der ddI-Gruppe und 57% der AZT-Gruppe einen viral load von < 400 HIV-1 RNA Kopien/ml und der mittlere CD4-Zellanstieg betrug 164 bzw. 172 Zellen. Nach 48 Wochen wiesen 34% der mit ddI/d4T/NFV und 47% der mit AZT/3TC/Nelfinavir behandelten PatientInnen einen viral load <50 HIV-1 RNA Kopien/ml auf; einen viral load von weniger als 400 HIV-1 RNA Kopien/ml wiesen 50 und 59% der PatientInnen auf. Der Anstieg der CD4-Zellen war nicht unterschiedlich.

Nebenwirkungen

Die häufigste beobachtete Nebenwirkung ist ein Durchfall. Die gefürchtete Nebenwirkung eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis). Letztere wird bei ca. 3% der Patienten beobachtet. Andere Substanzen, die eine Pankreatitis verursachen können (Alkohol, Pentamidin-Infusionen zur Behandlung einer P. carnii - Pneumonie) sollten deshalb nur mit Mass konsumiert bzw. vermieden werden. Besondere Vorsicht ist auch bei der gleichzeitigen Behandlung mit Ribavirin (eingesetzt zusammen mit Interferon zur Behandlung der Hepatits C) geboten.  Bei unklaren, insbesondere gürtelförmigen Oberbauchschmerzen sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht und das Medikament falls nötig abgesetzt werden. Einzelne Studien zeigten ein erhöhtes Risiko für eine Polyneuropathie.

Interaktionen

Im Gegensatz zu den Protease-Inhibitoren und den Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern sind Wechselwirkungen zwischen Nukleosidanaloga RT-Hemmern vergleichsweise selten. Die Einnahme mit dem Essen reduziert die Bioverfügbarkeit von ddI 50%! Um eine adäquate Resorption von ddI und folgenden Substanzen zu gewährleisten, sollte ddI nicht gleichzeitig (vorzugsweise mehr als 2 Stunden getrennt) mit  Dapson, Ketoconazol, Itraconazol, oder Tetrazyklinen eingenommen werden.  Die gleichzeitge  Einnahme von Tenofovir (TDF) führt zu erhöhten ddI-Konzentrationen. Die Dosierung von beträgt - unabhängig vom Körpergewicht - von TDF 300mg pro Tag und von ddI (VidexEc) 250mg pro Tag. Beide Substanzen sollen zusammen mit einer leichten Mahlzeit eingenommen werden.

Lagerungsvorschriften

ddI ist in der Schweiz erhältlich und kassenpflichtig als Magensaft-resistente Kapseln à 125, 200, 250 und 400mg (VidexEC ).  ddI ist bei Zimmertemperatur in der Originalpackung aufzubewahren. Kautabletten sind in der Schweiz nicht mehr erhältlich

Dosierung

ddI wird bei Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als 60 kg in einer Dosierung von 1 x 400 mg oder 2 x 200 pro Tag (2 x 1 Magensaft-resistente Kapsel) nüchtern (=2 Stunden nach oder mindestens 1/2 Stunden einer Mahlzeit) eingenommen. Bei einem Körpergewicht von weniger als 60 kg beträgt die Dosis 1 x 250 mg oder 2 x 125 mg pro Tag; die Dosierung bei mehr als 6 Monate alten Kindern beträgt durchschnittlich 200 mg/kg Körperoberfläche/Tag.  Die gleichzeitge  Einnahme von Tenofovir (TDF) führt zu erhöhten ddI-Konzentrationen. Die Dosierung von beträgt - unabhängig vom Körpergewicht - von TDF 300mg pro Tag und von ddI (VidexEc) 250mg pro Tag. Beide Substanzen sollen zusammen mit einer leichten Mahlzeit eingenommen werden.

Kommentar

Die Studien Delta und ACTG 175 bedeuten einen Meilenstein in der Geschichte der Behandlung von HIV. Als im September 1995 die Resultate bekannt wurden, führte dies zu einem neuen Behandlungs-Standard, der "Zweierkombination". ACTG 175 dokumentierte zudem die klinische Wirksamkeit von ddI. Aus heutiger Sicht nehmen sich die Ergebnisse dieser Studien bescheiden aus; Kombinationstherapie-Studien mit Protease-Inhibitoren führen rascher zu eindrücklicheren Resultaten.
ddI wird heute kombiniert mit AZT (oder 3TC) und einem Protease-Inhibitor oder einem Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer. Ein überlappendes Nebenwirkungsprofil (ddC: Polyneuropathie) und/oder gemeinsame Resistenzmutationen (ddC: 65/69/74, 3TC: 184) sowie das Fehlen klinischer Studien sprechen gegen die Kombinationen ddI/ddC oder ddI/3TC.

Aufgrund der langen intrazellulären Halbwertzeit des aktiven Metaboliten Dideoxyadenosintriphosphat (ddATP) von 25-40 Stunden sowie von zwei Vergleichsstudien - die für d4T/ddI (einmal täglich) und d4T/ddI (zweimal täglich) nach 24 Wochen bei 41 und 40% bzw. 30 und 29% der behandelten PatientInnen einen viral load von < 500 HIV-1 RNA-Kopien zeigten  - ist die einmaltägliche Dosierung von ddI möglich und da einfacher, die bevorzugte Art ddI einzunehmen.

Die Resultate der Studie AI454-148 zeigen eine Überlegenheit der Kombination AZT+3TC plus Nelfinavir im Vergleich zu d4T+ddI (einmal tägich) plus Nelfinavir nach 48 Behandlungswochen. Das Ergebnis ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Der Behandlungserfolg des Regimes AZT+3TC+Nelfinavir ist bestenfalls durchschnittlich, derjenige der Kombination d4T+ddI (einmal täglich)+Nelfinavir jedoch schlichtweg enttäuschend.  Die Tatsache, dass diese Unterschiede nach 24 Wochen nicht sichtbar waren - die Studie bildete u.a. die Grundlage für die Zulassung der ddI-Einmaldosis in den USA und in Europa - suggeriert einen Wirkungsverlust über die Zeit. Die Frage, ob dies an der Kombination an sich oder an der Verabreichung von ddI als Einmaldosis liegt, vermag die Studie aufgrund des Designs nicht zu beantworten.

 

Literatur
 

Last update 04.10.2007