Etravirin (Intelence®)

Einleitung

Etravrin (ETV, TMC 125, Handelsnamen Intelence®, Hersteller Tibotec) gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer genannt werden. Weitere Medikamente dieser Klasse sind Efavirenz, (Delavirdine - nur in den  USA zugelassen), Nevirapin und Rilpivirin. Die Wirkungsweise dieser Substanzen besteht in der Hemmung eines viruseigenen Enzyms, der Reversen Transkriptase. Die Blockierung dieses Enzyms führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von RNA in DNA. Dies bedeutet, dass neue Zellen vor einer Infektion geschützt und weitere Infektionszyklen verhindert werden. Zwischen den bisher zugelassenen  Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern besteht eine 100%ige Kreuzresistenz; d.h. gegen Viren, die auf die eine Substanz unempfindlich geworden sind nützten auch die anderen aus dieser Substanzklasse nichts mehr. Etravirin wikrt unter Umständen auch gegen Viren mit einer Resistenz gegen die NNRTI's Efavirenz und Nevirapin. 

Etravirin wurde am 18.01.2008  in den USA  zur Behandlung von Patienten mit vorgängigem Therapieversagen gegen NNRTI's und andere Mendikamente zugelassen. In der Schweiz ist die Substanz seit dem 13.05.2008 zugelassen und seit dem 15.08.2008 kassenpflichtig.

Resultate von Studien

In zwei kleinen "proof of principle" Studien erhielten bisher unbehandelte Menschen mit einer HIV-Infektion bzw. Menschen mit einem auf bisherige  NNRTI-resistenten Virus während einer Woche Etravirin als Monotherapie.  Bei Menschen mit einem NNRTI-empfindlichen Virus sank der Viral load nach einer Woche um 1.0-1.9 log (Faktor 10-<100); bei Menschen mit einem Efavirenz- und Nevirapin resistenten Virus um 0.9 Log (<Faktor 10).

In einer anderen Studie wurde gezeigt, dass bei PatientInnen mit einem NNRTI-empfindlichen Virus der Viral load unter einer Etravirin enthaltenden Kombinationstherapie nach 48 Wochen um 1.67 log sank während er bei PatientInnen mit NNRTI-resistenten Viren in Abhängigkeit der Anzahl NNRTI-Mutationen abnahm: 1 Mutation -1.38 log; 2 Mutationen -0.9 log; 3 Mutationen  -0.54 log.

In der Studie C223 erhielten 199 PatientInnen mit einer Resistenz gegen bisher zugelassene NNRTI's sowie mindestens drei mit einer PI-Resistenz assoziierte Mutationen entweder Etravirin 2x 400 oder 2x 800mg/d bzw. Placebo zusammen mit einer "optimised baseline therapy". Nach 24 Wochen betrug die Reduktion des Viral loads -1.04 und -1.19 bzw. -0.19 log.

In der Studie Duet 1 erhielten 612 PatientInnen mit einer Resistenz gegen bisher zugelassene NNRTI's sowie mindestens drei mit einer PI-Resistenz assoziierte Mutationen und >5000 HIV-1 RNA-Kopien/ml unter der aktuellen Therapie entweder Etravirin 2x 200 oder Placebo zusammen mit Darunavir/r, Nukleosidanaloga nach Wahl der Prüfarztes sowie optional Enfuvirtide (T20). Nach 24 Wochen wiesen 170 (56%) der PatientInnen in der TMC125-Gruppe und 119 (39%) der PatientInnen der Placebo-Gruppe einen viral load <50 HIV-1 RNA-Kopen auf. Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.

In der Studie Duet 2 erhielten 591 PatientInnen mit einer Resistenz gegen bisher zugelassene NNRTI's sowie mindestens drei mit einer PI-Resistenz assoziierte Mutationen und >5000 HIV-1 RNA-Kopien/ml unter der aktuellen Therapie entweder Etravirin 2x 200 oder Placebo zusammen mit Darunavir/r, Nukleosidanaloga nach Wahl der Prüfarztes sowie optional Enfuvirtide (T20). Nach 24 Wochen wiesen 183 (62%) der PatientInnen in der TMC125-Gruppe und 129 (44%) der PatientInnen der Placebo-Gruppe einen viral load <50 HIV-1 RNA-Kopen auf. Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.



Resistenz

Eine einzelne Mutation (181 oder 103) im Viruserbgut genügt, um die Viren gegen die Efavirenz oder Nevirapin resistent werden zu lassen. Bis zum vollständigen Wirksamkeitsverlust von Etravirin sind mindestens zwei Resistenzmutationen notwendig. Mit einer ETV-Resistenz assoziierte Mutationen sind: V90I, A98G, L100I, K101E/H/P, V106I, E138A. V179D/F/T, Y181C/I/V, G190A/S und M230L. Am meisten Gewicht haben die Mutationen Y181I und Y181V; liegt nebst einer von diesen eine weitere ETV-Resistenz assoziierte Mutation vor, ist mit einem deutlich reduziertem Therapieerfolg zu rechnen; dies ist ebenfalls der Fall, falls eine der Mutationen M230L, Y181C,  L100I oder K101P und zwei weitere Mutationen vorliegen.

Nebenwirkungen

Häufig berichteten Nebenwirkungen sind, vor allem zu Behandlungsbeginn, Diarrhoe, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Visusstörungen, Müdigkeit, Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten. Selten (<0.1%), aber von Bedeutung sind ein schwerwiegender Hautausschlag inkl. Stevens Johnson, Erythema multiforme, Hypoersensitivitätsreaktion.

Interaktionen

Etravirin, andere Nicht-Nukleosidanloga RT-Hemmer und Protease-Inhibitoren werden in der Leber über das Cytochrom P450-System abgebaut. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Substanzen, sogenannte Interaktionen, sind vor allem dann zu erwarten, wenn diese dasselbe Enzymsystem benutzen. Das mögliche Resultat dieser Wechselwirkungen sind zu hohe oder zu niedrige Blutspiegel von Efavirenz und/oder der anderen eingenommenen Substanz. Einzelne Interaktionen sind potentiell lebensbedrohlich. Zu hohe Blutspiegel führen unter Umständen zu Nebenwirkungen, zu tiefe Blutspiegel zum Verlust der Wirksamkeit. Etravirin sollte nicht zusammen mit folgenden Substanzen eingenommen werden: Midazolam, Diazepam, Triazepam, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin, Terfenadin. und Antiarrhythmika.

Lagerungsvorschriften

Etravirin ist bei Zimmertemperatur in der Originalpackung aufzubewahren.

Dosierung

Etravirin wird zusammen mit Nukleosidanaloga RT-Hemmern in einer Dosierung von 2 x 200 mg pro Tag (2 x 2 Tabletten à 100 mg oder 2x 1 Tablette à 200 mg) nach einer Mahlzeit eingenommen.
Etravirin sollte infolge Wechselwirkungen nicht zusammen mit Atazanavir/r, Fosamprenavir/r und Tipranavir/r oder einem nicht-geboosteten Proteasehemmer eingenommen werden. 

Kommentar

Aufgrund der 100%igen Kreuzresistenz unter den bisher zugelassenen NNRTI's bedeutete die Resistenzentwicklung gegen eine Substanz bisher immer den Verlust der ganzen Wirkstoffklasse. Etravirin ist hingegen in vielen Fällen (Resistenztest!) wirksam gegen Viren mit einer Resistenz gegen bisher zugelassene Medikamente derselben Medikamentenklassen und stellt damit einen echten Fortschritt dar. 
Im Vergleich zu Nevirapin und Efavirenz wurde die Substanz bisher lediglich an einer kleinen Patientenzahl und über eine kurze Zeit geprüft; Aussagen über Sicherheit und Wirksamkeit können deshalb nur unter Vorbehalt gemacht werden.

 

Literatur


Last update 16.08.2008