Adefovir (Preveon®)

    Wie die Firma Gilead am 3. Dezember 1999 mitteilte, wurde die Weiterentwicklung der Substanz zur Behandlung der HIV-Infektion in den USA gestoppt.

    Einleitung

    Adefovir dipivoxil (BisPom PMEA, Handelsname Preveon®, Hersteller Gilead) ist eine Vorstufe von PMEA, die über den Verdauungstrakt aufgenommen werden kann und gehört zur Klasse der antiretroviralen Substanzen die Nukleotid-Analoga RT-Hemmer (NTRTI) genannt werden. Eine weitere Substanz dieser Klasse ist PMPA/bisPoc PMPA. Diese Substanzen hemmern wie die NRTI das viruseigenen Enzym "Reverse Transkriptase". Die Blockierung dieses Enzyms führt zum Abbruch der Übersetzung der genetischen Information des Virus von RNA in DNA. Dies bedeutet, dass neue Zellen vor einer Infektion geschützt und weitere Infektionszyklen verhindert werden. Im Gegensatz zu den Nukleosid-Analoga RT-Hemmer (NRTI) tragen die NTRTI bereits eine Phosphorgruppe und haben demzufolge, wenn sie in eine Zelle eintreten, den ersten von drei Aktivierungsschritten bereits hinter sich.
    Nukleotidanaloga RT-Hemmer werden immer in Kombination mit anderen antiretroviral aktiven Substanzen (Nukleosidanaloga RT-Hemmer, Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmer, Protease-Inhibitoren) eingesetzt. Im Idealfall handelt es sich um drei neue Substanzen, mit denen eine Person noch nie zuvor behandelt wurde. Bei vorbehandelten Personen ist dies nicht immer möglich. In diesem Fall sollte ein Therapiewechsel mindestens zwei neue Substanzen ohne Kreuzresistenz umfassen mit denen die Peson noch nie zuvor behandelt wurde. Die Zugabe lediglich einer neuen Substanz zu einer unbefriedigenden Therapie führt zur Entwickung von Resistenzen und ist zum Scheitern verurteilt.

    Resultate von Studien

    PMEA ist im Reagenzglas aktiv gegen HIV, Hepatitis B Virus (HBV), Herpes simplex Viren (HSV-1 und HSV-2), Epstein Barr Virus (EBV), Herpes Virus 6 (HHV-6) und das Zytomegalovirus (CMV).

    In der Studie 403 erhielten 70, davon 75% mit Nukleosidanaloga vorbehandelte Patienten mit >200 CD4 Zellen/ul während 12 Tagen Placebo oder Adefovir in einer Dosierung von 1 x 125mg/d oder 2 x 250mg/d. Die Reduktion des viral loads betrug unabhängig von der Dosis 0.6 log und der mediane CD4-Zellanstieg betrug 45 Zellen/ul.

    In der Studie 408 erhielten 400 Patienten mit CD4 Zellen zwischen 200-500/ul und einem viral load >2500 HIV-RNA-Kopien/ml zusätzlich zur fortgesetzten antiretroviralen Therapie entweder Placebo oder Adefovir in einer Dosierung von 1 x 120mg/d. Die reduktion des viral loads nach 6 Monaten betrug 0.4 log; bezü:glich CD4-Zellen zeigte sich kein Unterschied.

    Resistenz

    Adevofir ist aktiv gegen 3TC-resistente (M184V) und AZT/3TC resistente Viren; nicht jedoch gegen Viren mit hochgradiger AZT-Resistenz allein. Viren mit einer 184-Mutatiion erscheinen sensibler als 3TC-sensitive Viren1. Die Substanz scheint ebenfalls aktiv gegen Viren mit der multidrugresistence Mutation an Position 151. Im Reagenzglas gezüchtete Adefovir-resistente Viren (Mutationen an den Positionen 65 und 70) erscheinen sensibel gegen PMPA2.

    Nebenwirkungen

    Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen; die bedeutendste eine proximale renal-tubuläre Dysfunktion [PRTD] (Schädigung im ersten Abschnitt der der Nieren-Kanälchen). Sie ist charakterisiert durch einen Anstieg des Serumkreatinins u./od. Abfall des Serumphosphats u./od. Abfall des Serumbikarbonats u./od. ein vermehrter Eiweiss-Verlust u./od. eine vermehrte Glucoseausscheidung im Urin. In der Studie 408 trat eine meistens milde PRTD bei insgesamt 21% der Behandelten auf. Typischerweise wurde der Schaden erst nach 6 monatiger Behandlungsdauer beobachtet und bildete sich nach Absetzen der Substanz oder einer Dosisreduktion, meistens innert 2 Monaten zurück. Bei etwa 5% war die Schädigung irreversibel.

    Die Metabolisierung von Adefovir führt zu einer Verarmung des Körpers an L-Carnitin. Obwohl damit bisher keine Krankheit assoziiert wurde empfiehlt der Hersteller die begleitende Einnahme von L-Carnitin 500 mg/d.

    Interaktionen

    Im Gegensatz zu den Protease-Inhibitoren und den Nicht-Nukleosidanaloga RT-Hemmern dürften Wechselwirkungen mit Nukleotidanaloga RT-Hemmern vergleichsweise selten sein. Die gleichzeitige Einnahme von Substanzen mit ähnlichem Nebenwirkungsprofil, insbesondere potentiell Nierenschädigendem Effekt sollten vermieden werden.

    Lagerungsvorschriften

    Adefovir ist gemäss den Angaben des Herstellers aufzubewahren.

    Dosierung

    Adefovir wird einmal pro Tag in einer Dosierung von 120 mg, ev. von 60mg zusammen mit L-Carnitin 500mg/d eingenommen.

    Kommentar

    Adefovir (PMEA) ist sicher weniger potent als PMPA, der zweite Nukleotidanalogon RT-Hemmer, Protease Inhibitoren oder Abacavir. Eine Reduktion des viral loads in der Monotherapie um 0.5 log (einen Faktor 3) ist jedoch vergleichbar mit der Wirkung der meisten Nukleosidanalogon RT-Hemmer, und niemand möchte wohl auf Substanzen wie AZT oder ddI verzichten. Aufgrund der langen intrazellulären Halbwertszeit kann die Substanz einmal pro Tag eingenommen werden. Wenig erfreulich ist die bei einigen Patienten offensichtlich irreversible Nierenschädigung. Aufgund des Resistenzprofils besteht die Hoffnung, dass Adefovir vor allem bei vorbehandelten Patienten eine Rolle spielen könnte. Bei fehlenden Alternativen ist man eher bereit eine höheres Risiko von Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.
    Grosse klinische Endpunktstudien, wie sie derzeit von der CPCRA [Studie 407] und HIV-CONNECT [ADHOC Trial, Studie 410] in den USA und Europa/Australien durchgeführt werden, sollten den Stellenwert der Substanz etablieren.

    Literatur

  1. J. Mellors. Review of the Lago Maggiore resistance meeting. 12th World AIDS Conference, Geneva, Switzerland, 1998.
  2. M. Miller, JM Cherrington, PD Lamy, et al. Genotypic changes in HIV RT which develop during Preveon (adefovir dipivoxil) therapy do not decrease susceptability to PMPA. 12th World AIDS Conference, Geneva, Switzerland, 1998, Abstract 41210.

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    Last update 06.12.99